C wie Christiane – Zwischen Arbeit, Alltag und Ausdauer

Es ist immer doof, die Neue zu sein. Dann muss man sich nämlich vorstellen und man weiß ja: Der erste Eindruck bleibt meist hängen, obwohl man eigentlich wissen müsste, dass er die Person meist nicht wirklich widerspiegelt.

Aber so weiß ich noch ganz genau, was der erste Satz war, den mein Freund – damals war er noch nicht mein Freund – in der Vorstellungsrunde des neuen Klassenverbandes sagte, als wir begannen, unseren Betriebswirt zu machen. Die Klassenlehrerin wollte, dass wir uns mit einem Adjektiv unseres Anfangsbuchstabens beschreiben. Er sagte: „M wie magisch“, woraufhin es allgemeines Kichern gab, denn alle assoziierten gleich „Magic Mike“. Immerhin war es 2015. Aber nicht, weil seine Statur und sein Aussehen dem Hauptcharakter ähnelten.

Bevor wir unseren Buchstaben und das zugehörige Adjektiv sagen durften, mussten wir das von allen vor uns wiederholen. Ich saß in der Mitte des Stuhlkreises. Na toll. Ich musste mir also alle Namen und Adjektive merken und mir noch einen mit C – ein undankbarer Buchstabe – überlegen, der zu mir passt. Als ich an der Reihe war, ratterte ich alle Namen und Adjektive herunter. Dann kurze Stille, peinliches Berührtsein: „Ähm, also, ich heiße Christiane und mir ist nur cholerisch eingefallen.“ Verlegnes Lächeln. „Clever passt wohl eher. Du hast gerade alle Namen und Adjektive runtergerattert wie eine Eins“, wirft einer, der drei oder vier Stühle nach mir sitzt, ein. Danke, Markus. So heißt er, wie er sich bald vorstellen würde.

Dass mir nur cholerisch eingefallen ist, liegt wohl an meinem gelernten und bis dahin ausgeübten Beruf als Köchin. Und Küchenchefs, also die Vorgesetzten von Köchen, sind oft cholerisch. Ich hatte auch ein, zwei solcher Exemplare als Chef. Aber ich hatte auch ein, zwei chillige, coole Küchenchefs. Abgesehen davon, dass der Beruf einen körperlich kaputtmacht, am Ende des Monats kein Cent übrig bleibt und aufgrund der Arbeitszeiten die Freundesliste immer kürzer wird, passte er nicht zu mir. Ich war und bin für diesen Beruf nicht geeignet. Deswegen machte ich meinen Betriebswirt, um den Sprung ins Büro zu schaffen.

Vielleicht fiel mir „cholerisch” auch ein, weil ich dazu neige, zuerst das Schlechte zu sehen – vor allem an mir selbst. Das ist eine ehrliche Bestandsaufnahme. Ich arbeite daran. Mein innerer Kritiker ist einfach ein bisschen zu übereifrig und meldet sich gern ungefragt zu Wort. Er ist wie ein Küchenchef, der einem genau dann über die Schulter schaut, wenn man gerade versucht, einen Fehler zu korrigieren, und der einem den heißen Atem schon im Nacken spüren lässt. In solchen Momenten haben wohl auch mein Selbstvertrauen und mein Selbstbewusstsein die Kochschürze abgelegt und sind seitdem auf und davon. Die Vermisstenanzeige ist gestellt.

Aber mittlerweile habe ich meinen Betriebswirt in der Tasche. Ohne eine Ehrenrunde zu ziehen, habe ich das Ding souverän durchgezogen, „M wie magisch“ wurde mein Freund, aber leider tanzt er nicht so schön nach meiner Pfeife, wie ich es manchmal gerne hätte. Danach habe ich der Kochjacke und Schürze Adieu gesagt, um anschließend als Bürokraft zu arbeiten. Wie es in einer erwachsenen Beziehung manchmal so ist, wurde dann mein Bauch dicker, erst wegen des vielen Ausprobierens der unzähligen Restaurants in Hamburg, dann wegen einer Schwangerschaft. Seit 2020 darf ich mich Mama rufen lassen und meiner Tochter erklären, dass es nicht klug ist, ein Elektrospielzeug mit in die Badewanne zu nehmen. Kindliches Augenrollen und ein „Sei mal nicht so cholerisch, Mama!”, aber Gott sei Dank kennt sie dieses Wort nicht.

Ansonsten jongliere ich den üblichen Mental Load, den eine Beziehung und Elternschaft so mit sich bringen – und versuche dabei, nicht zu viele Bälle fallen zu lassen. Trotzdem bleibt Zeit fürs Schwimmen, Radfahren und Laufen. Zwischen mir und dem Ausdauersport ist es eine klassische On-off-Beziehung: Ich habe null Talent, aber wir können einfach nicht voneinander lassen. Schreiben ist dagegen meine verlässliche Beziehung. Hier darf ich ausreden, ohne dass jemand ständig „Mama?“ dazwischenruft – und manchmal ist das schon pures Glück.

Das bin also ich: Christiane, 37 Jahre alt, wohnhaft in Hamburg, gelernte Köchin, Betriebswirtin, in einer Beziehung, habe eine Tochter, mag Ausdauersport – Willkommen auf meinem Blog! Ich verspreche nichts, außer dass hier kein Elektrospielzeug in der Badewanne landet.

Bild: Drew Beamer auf Unsplash


Kommentare

2 Antworten zu „C wie Christiane – Zwischen Arbeit, Alltag und Ausdauer“

  1. Schön geschrieben, Christiane!

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